

Politik
10 top
of
styria
2015
Österreich am
absteigenden Ast
Dr. Christian Buchmann,
Landesrat für Wirtschaft,
Tourismus, Europa und Kultur.
Angelika Kresch, Vorstand der
Remus-Sebring-Gruppe, Vor-
sitzende der Sparte Industrie
WK Steiermark.
Mag. Friedrich Möstl, Ge-
schäftsführer Deloitte Wirt-
schaftsprüfung Styria GmbH.
Andreas Wilfinger, Geschäfts-
führer Ringana GmbH.
Moderation: Martin Novak.
top of styria:
Herr Möstl, Ihr
Radar ist so etwas wie eine
Metaanalyse. Würden Sie ein-
leitend eine Analyse über den
Stand der Dinge geben: Wer-
den die anderen schneller oder
werden wir langsamer?
Möstl:
Wir beschäftigen uns
gerade mit dem CFO-Stim-
mungsbarometer, auch inter-
national, und geben jährlich
den Deloitte Radar heraus,
der die Attraktivität des Wirt-
schaftsstandorts Österreich
mit anderen Ländern ver-
gleicht. Da gibt es den Trend,
dass Österreich am leicht ab-
steigenden Ast sitzt, erstmalig
nachhaltig in fast allen Ran-
kings aus den Top 20 heraus-
gefallen ist und im Schnitt
auf Platz 21 liegt – und das ist
eine Mischung von allen an-
erkannten Rankings, die auf-
genommen worden sind. Ge-
messen wird das an folgenden
Punkten: regulatorisches Um-
feld, politisch-makroökonomi-
sches Umfeld, Unternehmens-
infrastruktur, Lebensqualität
Innovation, Forschung und
Technologie, Kosten und Ver-
fügbarkeit von Arbeitskräf-
ten. Nach unserer Analyse war
der Grund dafür, dass in Öster-
reich – in der Steiermark kann
man das ja nicht sagen – die
Reformen nicht entsprechend
zügig angegangen worden sind
– also ein Reformstau.
Kresch:
Welche Reformen?
Wilfinger:
Das ist ohnehin
sehr diplomatisch ausge-
drückt …
Möstl:
Was andernorts gesche-
hen ist, nicht aber in Öster-
reich. Das ist einer der Haupt-
gründe, warum wir uns ver-
schlechtert haben. Ein zwei-
ter Grund ist am Arbeitsmarkt
zu verorten: Die Arbeitsmarkt-
kosten, aber insbesondere die
Verschärfungen am Arbeits-
markt, beispielsweise das Lohn-
und Sozialdumpinggesetz, Ver-
schärfungen der Arbeitszeit
bestimmungen und weitere
strenge Regulierungen ma-
chen den Wirtschaftsstand-
ort Österreich tendenziell un-
attraktiver, während andere
Länder wie Deutschland auf
Ganzjahresmodelle umsteigen
und in Richtung flexiblere Ar-
beitszeitmodelle gehen. Das
hat sicher dem Wirtschafts-
standort Österreich geschadet.
Ein dritter Grund liegt im Bil-
dungsbereich, was besonders
schmerzlich ist. Ausbildung
und der Bildungsstandard in
Österreich werden nach wie
vor als sehr gut betrachtet,
aber es gibt Einiges aufzuholen
in Hinblick auf die Integration
ausländischer Mitarbeiter und
den Frauenanteil in akademi-
schen Berufen. In diesem Be-
reich ist Österreich tendenziell
zurückgefallen. Auch der Fi-
nanzmarkt Österreich ist abge-
stiegen. Das hat sicher mit den
Regulativen und Schwierigkei-
ten der Banken zu tun. Positiv
ist nach wie vor die F&E-Tätig-
keit, wo die Steiermark beson-
ders gut dasteht, wobei natür-
lich auch österreichweit Ver-
besserungspotenzial gegeben
ist. Da denke ich insbesonde-
re an Steuermodelle, die es
schon gibt, an die Patentbox,
die immerhin zwölf EU-Län-
der schon eingeführt haben,
wo die Einkommen, die aus Pa-
tenten, Lizenzierungen oder
Forschungsprojekten kommen,
zwischen null und 15 Prozent
versteuert werden – in Öster-
reich ist das noch nicht umge-
setzt.
Wilfinger:
Dafür haben wir
das Jahressechstel für die
angestellten Erfinder bei der
Steuerreform gestrichen, was
extra gescheit ist …
Möstl:
Am besten liegt Öster-
reich nach wie vor im Bereich
der Lebensqualität. Auch was
Sicherheit und andere Fak-
toren betrifft, ist Österreich
nach wie vor top ten. Das hilft
uns als Wirtschaftsstandort.
Aber es gibt andere Faktoren,
gerade bei der letzten Steuer-
reform, die in dieser Analyse
noch gar nicht inkludiert sind,
die uns aber nächstes Jahr
wahrscheinlich noch den ei-
nen oder anderen Platz kosten
werden, wenn ich das prog-
nostizieren darf. Zum Beispiel,
dass die Managergehälter ab
einem bestimmten Volumen
nur mehr beschränkt absetz-
bar sind. Oder dass die Kosten
für die Auflösung des Dienst-
verhältnisses mit Managern
nicht mehr als Betriebsaus-
gabe absetzbar sind. Das sind
Parameter, die bei großen in-
ternationalen Konzernen bei
der Frage, wo sie ihr Head-
quarter ansiedeln, eine ent-
scheidende Rolle spielen.
Wilfinger:
Bis hin zum Pkw-
Sachbezug …
Möstl:
Das sind Ansätze, die
uns vom Aufkommen her
nicht viel bringen und eher
politisch motiviert waren,
aber auf die gerade in den
Rankings geschaut wird. Und:
Die Rankings sollte man schon
ernst nehmen, weil auch die
Unternehmen darauf achten,
wenn sie überlegen, wo sie
ihre Zentrale ansiedeln. Unter
den 100 größten, F&E-betrei-
benden Unternehmen Öster-
WIRTSCHAFTSGESPRÄCH
„Die Reformen wurden nicht entsprechend
zügig angegangen. – Welche Reformen?“
Die Rankings
World Economic Forum:
The Global Competitiveness
Report 2014 - 2015
(Österreich: #21)
IMD: 2015 World
Competitiveness Ranking
(Österreich: #26)
Deloitte.Radar 2015