Previous Page  11 / 64 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 11 / 64 Next Page
Page Background

Politik

top

of

styria 11

2015

Fotos: Schiffer

reichs hat mehr als die Hälfte

ihr Headquarter nicht in Ös-

terreich. Da sollten wir darauf

schauen, dass die nicht absie-

deln. Denn die F & E-Tätigkeit

dürfte ein ganz wichtiger Er-

folgsfaktor sein. Es gibt auch

ein aktuelles CFO-Stimmungs-

barometer, das wir quar­

talsmäßig einholen. Die zwei

wichtigsten Erkenntnisse da-

raus sind, dass die Konjunk-

tur in Österreich und die Um-

satzerwartung im Vergleich

zum ersten Quartal insgesamt

eher abnimmt und dass zwar

die Investitionsbereitschaft im-mer noch da, aber relativ flau

ist. Wir investieren eher wie-

der im Ausland, speziell in

Osteuropa, den USA und Chi-

na, aber weniger stark in Ös-

terreich. Das sollte zu denken

geben. Da sollte man schauen,

dass die CFOs wieder verstärkt

investieren.

top of styria:

Herr Landesrat,

was ist zu tun?

Buchmann:

Eine Vorbemer-

kung: Der Wirtschaftslandes-

rat ist kraft Funktion dem Op-

timismus verpflichtet. Daher

war das ein Schock, als Chris-

toph Leitl vor zwei Jahren in

Alpbach gesagt hat, Österreich

sei „abgesandelt“.

Wilfinger:

Er ist ja für die

Aussage bestraft worden und

nicht für den Inhalt …

Buchmann:

Aber natürlich ist

das so, dass wir in wesentli-

chen Standortindikatoren sig-

nifikant zurückfallen. Eigent-

lich müssten bei der Bundes-

regierung diesbezüglich alle

Alarmglocken läuten. Daher

sollten wir heute diskutieren,

mit welchen Maßnahmen wir

einen Turnaround schaffen

können. In der Steiermark ha-

ben wir versucht, eine gewisse

Reformbereitschaft zu signa-

lisieren und die notwendigen

Maßnahmen zu setzen. Ob

sie hinreichend sein werden,

was Budgetgestaltung und

Zukunftsfragen betrifft, wird

sich weisen. Aber auf Bundes-

ebene ist das Ganze im Klein-

Hickhack stecken geblieben.

Wir haben seit mehr als einem

Jahrzehnt – vom Österreich-

Konvent bis zur Rechnungs-

hofanalyse – in Wahrheit den

gesamten Maßnahmenkata-

log amTisch. Was es brauchen

würde, ist eine Management-

qualität bei der Umsetzung,

ausgehend von der Analyse,

die ja vorhanden ist. Da hat

die Bundesregierung leider

manche Chance verspielt. Die

Steuerreform ist eine solche.

Sie war ja gut gemeint, man

wollte die Kaufkraft der Pri-

vaten stärken, da sind wir alle

dafür. Aber sie hat gleichzeitig

den Unternehmen die Lust ge-

nommen, in manchen Berei-

chen zu investieren, zu expan-

dieren und zu innovieren. Was

ich bei den Betriebsbesuchen

im ganzen Land deutlich spü-

re, ist: Die Themen liegen am

Tisch und alle warten sehn-

süchtig darauf, dass der Maß-

nahmenkatalog abgearbeitet

wird. Was mich momentan

sehr nachdenklich stimmt, ist,

dass alles durch tagespoliti-

sche Entwicklungen im inter-

nationalen Kontext überlagert

wird. Man darf aber nicht ver-

gessen, die Hausaufgaben zu

erledigen.

Kresch:

Finanzminister Schel­

ling hat ja anfangs gemeint, er

könne die Themen Manage-

ment-like abarbeiten, aber das

wurde ihm gleich abgewöhnt.

Buchmann:

Hinzu kommt,

dass manche Themenstel-

lungen in diesem Koalitions-

abkommen meiner Meinung

nach eine richtige Themen-

verfehlung sind – Stichwort

sechste Urlaubswoche. Ich

weiß schon, dass das in einzel-

nen Kollektivverträgen heute

schon enthalten ist, aber …

Wilfinger:

… die sechste Ur-

laubswoche und der Wunsch

der Gewerkschaft, die Feierta-

ge, die aufs Wochenende fallen,

zusätzlich zu konsumieren.

Kresch:

Dazu kommen noch,

was ja immer unter den Tisch

fällt, die vier Wochen Kur, von

denen meiner Meinung nach

mindestens zwei Wochen als

Urlaub gerechnet werden soll-

ten und meinetwegen zwei als

Krankenstand. Weil wir zu vie-

le Wellness-Paradiese haben,

müssen wir sie in Kurparadie-

se umwandeln. Darum schi-

cken wir immer mehr Leute

auf Kur, und das auf Kosten

der Unternehmen, die in Ös-

terreich schon heute keinen

Raum mehr zum Atmen ha-

ben. In der ganzen Lohnneben­

kostendiskussion kommt das

ja gar nicht vor, obwohl es ei-

nen immer größeren Anteil

ausmacht. Ich bin sicher nicht

dagegen, dass jemand, der ei­

ne entsprechende Krankheit

hat oder einen Unfall hat-

te, auf Reha geht. Aber wenn

heute die Dreißigjährigen mit

Kreuzschmerzen reihenweise

auf Kur gehen, dann ist das

aus volkswirtschaftlicher Sicht

einfach nicht in Ordnung. Die

Leute sollten präventiv Gymnas­

tikmachen oder laufen gehen.

Wilfinger:

Wenn man dem ehe-

maligen Hauptverbandschef

McDonald Glauben schenkt,

ist die Kur eher ein Auslauf-

modell …

Kresch:

Ja, aber wie lange

dauert es noch, bis da einmal

etwas passiert?

Wilfinger:

Bis die Kalte Pro-

gression abgeschafft ist. Also

„Eigentlich müssten bei der Bundes­

regierung alle Alarmglocken läuten.“